Bild: www.pixelio.de/ Kurt Michel
Dieser Winter geizt bisher mit Schnee. Sehr zum Leidwesen aller Wintersportfreunde. Umso mehr locken die Urlaubsangebote aus den schneereicheren Regionen, z. B. Östereich. Aber Achtung, auch dort ist Schnee mittlerweile nicht gleich Schnee.
Vermehrt werden Schneekanonen eingesetzt, um die Pistensaison zu verlängern. Aber das kann nicht unerhebliche ökologische Folgen mit sich bringen, wie die Pressemeldung Künstliche Beschneiung – mit Kanonen gegen den Klimawandel deutlich macht.
Im Folgenden dazu ein ausführlicher Bericht des NATURSCHUTZBUNDes Österreich zu dem jedes Jahr aufs Neue aktuellen Thema vom Januar 2007:
Künstliche Beschneiung
Position des NATURSCHUTZBUNDes Österreich
vom 23. Jänner 2007
Beschneiung ist derzeit das Thema schlechthin. Im Hinblick auf immer wärmere Winter mit weniger Schnee kommt die Tourismuswirtschaft mehr und mehr unter Druck. Künstliche Beschneiung - vor allem mit Schneekanonen - soll hier Abhilfe schaffen.
Doch jeder Eingriff in die Abläufe der Natur hat Auswirkungen. Viele dieser Auswirkungen zeigen sich erst Jahre nach dem Eingriff. Der NATURSCHUTZBUND Österreich sieht den Einsatz von Schneekanonen für die Natur aufgrund folgender Argumente äußerst kritisch:
* Beschaffenheit von Kunstschnee: Kunstschnee ist im Aufbau wesentlich dichter als Naturschnee. Seine Isolationswirkung für den Boden ist allerdings schlechter, wodurch der Boden unter dem künstlichen Schnee tiefer friert und Pflanzen empfindlich geschädigt werden können.
* Verlängerte Schneebedeckung: Kunstschnee schmilzt erfahrungsgemäß später als Naturschnee. Bis in Höhen unter 1.600 m sind dadurch keine Schäden an der Vegetation zu erwarten. Ab der subalpinen Lage kann eine verkürzte Vegetationszeit aber bei einzelnen Arten dazu führen, dass sich die Pflanze im Frühjahr nicht rechtzeitig entwickeln und dadurch nicht mehr vermehren kann.
* Wasserhaushalt: Um eine Piste mit Kunstschnee für Schifahrer befahrbar zu machen und die gesamte Saison zu erhalten benötigt man pro Quadratmeter etwa 200 Liter Wasser. Das entspricht etwa einer gefüllten Badewanne. Eine mittlere Anlage hat etwa 10 ha, dafür würde man also 100.000 Badewannenfüllungen benötigen. Für die Bereitstellung dieser großen Wassermengen müssen entweder Leitungen unterirdisch bis an die Pisten herangeführt werden - dazu sind Baumaßnahmen notwendig, die unterschiedlich starke Auswirkungen auf die Natur haben können (Beschädigung von Bäumen, Rutschungen des Bodens etc.). Oder es muss Wasser aus natürlichen "Quellen" oder extra dafür errichteten Speicherseen entnommen werden. Durch alle diese Maßnahmen werden der Wasserhaushalt und damit das ganze Ökosystem massiv beeinträchtigt. So kann die Reduktion der Wassermenge z.B. schlechtere Jagdbedingungen für Wassertiere, wie z. B. die Wasseramsel bedingen oder im Extremfall Wasserlebensräume austrocknen und Lebensgemeinschaften zerstören.
* Energieverbrauch: Schneekanonen brauchen Strom - und zwar viel. Um beispielsweise alle Anlagen in Tirol versorgen zu können, braucht man ein mittelgroßes Kraftwerk. Den Strom muss man dann noch vor Ort zur Verfügung stellen, d.h. es sind auch Baumaßnahmen für Stromleitungen nötig (Auswirkungen: siehe oben)
* Verstärkter Wasserabfluss: Bei Zusammentreffen von starker Schneeschmelze und ergiebigen Regenfällen steigt durch die zusätzlich aufgebrachte Wassermenge des Kunstschnees die Gefahr von Rutschungen. In labilen Lagen ist eine Beschneiung mit Kunstschnee deshalb grundsätzlich abzulehnen.
* Lärm: Niederdruck-Schneekanonen arbeiten mit einem Lärmaufkommen von 60-80 dB, Hochdruckkanonen sogar mit bis zu 115 dB. Das entspricht dem Lärm von starkem Verkehr! Meistens arbeiten mehrere Maschinen gleichzeitig, so dass sie weithin deutlich hörbar sind. Vor allem Wildtiere werden davon gestört.
* Auswirkungen auf die Fauna: Schneekanonen kommen vornehmlich in der Dämmerung und nachts zum Einsatz - also in der Zeit der größten Aktivität der meisten Schalenwildarten und Eulenvögel. Besonders problematisch ist die Beschneiung, wenn sie das Wild durch den Lärm von Futterstellen fernhält. Aber auch der Stress durch die erhöhten Aktivitäten an sich kann sich auf das Wild gerade im Winter problematisch auswirken und Populationen schwächen. Bei Eulen und Käuzen wurden Abwanderungen beobachtet.
* Beschneiung bei Plusgraden mit Bakterien: "Normale" Schneekanonen benötigen für ihre Arbeit Minusgrade. Durch den warmen Winter wird nun der Ruf nach Beschneiungsmöglichkeiten auch bei Plusgraden immer lauter. Das soll mit Hilfe von abgetöteten Bakterien im Wasser funktionieren.Laut einigen Untersuchungen kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass zwischen den abgetöteten Bakterien noch einige überleben. Diese Bakterien können im Ökosystem als Fremdorganismen beträchtlichen Schaden anrichten. Aber auch die Auswirkungen eines "abgestorbenen Bakteriensuds" auf Grundwasser, Bäche und Flüsse sind mit Sicherheit nicht unerheblich.
* Beschneiung bei Plusgraden grundsätzlich: Grundsätzlich muss eine Beschneiung bei Plusgraden auf ein Ökosystem, das nicht auf "Winter eingestellt" ist, wie ein Schock wirken. Derartige Aktionen sind deshalb auf alle Fälle abzulehnen.
Schneetransport
Seit kurzem ist man auch auf die Idee verfallen, Schneemangel dadurch zu bekämpfen, dass aus schneereicheren Gebieten, vor allem von höheren Bergen, Schnee per Lastwagen antransportiert wird. Die Natur - besonders die hochalpine - reagiert bereits auf minimale Eingriffe höchst empfindlich. Die Entnahme von etlichen Lastwagenfuhren Schnee verändert die Wasserbilanz eines Lebensraumes so stark, dass Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt unvermeidlich sind.
Darüber hinaus ist durch den Transport ein erhöhter Ausstoß von - auch treibhausrelevanten - Abgasen gegeben, der nur zur Verschärfung des Problems in den nächsten Jahren beiträgt.
Abschließend ist zu sagen:
"Winter" lässt sich nicht künstlich erzeugen. Eine "erzwungene Beschneiung" kostet viel: Sie kostet Natur, Umweltqualität und Geld.
Neben den bereits erwähnten negativen Einflüssen auf Boden, Pflanzen und Tiere sind weitere langfristige Schäden nicht abschätzbar. Bis darüber Klarheit herrscht, ist ein flächendeckender Einsatz von künstlicher Beschneiung als qualitätsmindernd für die betroffenen Ökosysteme einzustufen und auf ein Minimum zu reduzieren bzw. in sensiblen Gebieten völlig zu unterlassen.
Durch den Einsatz von Schneekanonen bzw. den Transport von Schnee kommt es zu immensem Energieeinsatz und erhöhtem Ausstoß von Abgasen. Die Umweltbelastungen nehmen dadurch zu und tragen zur Verstärkung des Treibhaus-Effektes bei.
Die unglaublichen Kosten von künstlicher Beschneiung sind offensichtlich aus wirtschaftlicher Sicht akzeptabel. Dabei wird aber vergessen, die Auswirkungen auf Natur und Umwelt mit zu berechnen. Die Einführung von Ausgleichsmaßnahmen ist für einige Gebiete zu fordern. In jedem Fall tritt der NATURSCHUTZBUND für unbedingte Kostenwahrheit ein!
Grundsätzlich ist künstliche Beschneiung nur zur Ergänzung der Pistenhaltbarkeit bei geeigneter Witterung (Minusgrade!) und ausreichender Verfügbarkeit von Wasser, das aus nächster Nähe von bestehenden Bächen abgeleitet werden kann, ohne diese zu schädigen, zu rechtfertigen.
Wenn die Natur nicht genug Schnee für den Schilauf zur Verfügung stellt, scheint es angeraten, auch andere, nicht schneeabhängige Sportarten zu forcieren. Dies würde mittel- und langfristig zu einer Entschärfung des Problems führen.
Quellen:
CIPRA Info, Dezember 2006
Essl Josef, Österreichischer Alpenverein
Hinterstoisser Hermann, Amt der Salzburger Landesregierung
Pröbstl Ulrike, Universität für Bodenkultur
Türk Roman, NATURSCHUTZBUND Österreich
Naturtipps Ergänzung:
Bei der Planung des Wintersporturlaubs, ob nun Snowboarding, Skilanglauf, Abfahrtslauf oder Schlitten, die Pistenbetreung berücksichtigen. Nur durch kritische Befragung des Veranstalters nach Skikanonen und eventuellem Buchungsverzicht wird ihm deutlich, daß das nicht der Wunsch der Schneetouristen ist!
Ebenfalls auf die Urlaubszeit achten. Wenn die natürliche Winterzeit in der geplanten Region vorbei ist, sollte dort kein Wintersporturlaub mehr gebucht werden...
Macht alle Mit! und Ski heil! und nicht Bein kaputt...
Mittwoch, 23. Januar 2008
066) Winterurlaub - bitte ohne Kunstschnee!
Eingestellt von Macht alle mit! am Mittwoch, Januar 23, 2008
Labels: Klima, Umweltschutz, Urlaub, Winter
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Hallo!
Danke, daß Du die Natur aktiv mitschützt!